Dienstag, 26. Oktober 2010

Bethlehem - בית לחם

Betlehem (auch Bethlehem, Efrata; arabisch ‏بيت لحم‎ Bait Lahm, DMG Bayt Laḥm; hebräisch בית לחם, Bet Lechem) ist eine Stadt im Westjordanland mit 29.930 Einwohnern. Die Stadt gehört zu den Palästinensischen Autonomiegebieten und grenzt im Norden an Jerusalem. Sie beheimatet zwei Universitäten. Zur Agglomeration Betlehem gehören auch Beit Dschala und Beit Sahur; letzterer Ort hat wie Betlehem biblische Bedeutung. Bürgermeister der Stadt Betlehem ist seit Mai 2005 der römisch-katholische Christ und pensionierte Arzt Victor Batarseh. Für die 2,1 Mrd. Christen ist die Stadt von besonderer Bedeutung, weil sie der Überlieferung nach als der Geburtsort von Jesus Christus gilt.

Die Bedeutung des Namens Betlehem ist bisher ungeklärt. Während bet das Wort für „Haus“ ist, steht im Arabischen laḥm für „Fleisch“, im Hebräischen lechem dagegen für „Brot“, in manchen südarabischen Dialekten für „Fisch“. Das heißt, die Wurzel bezeichnet ursprünglich das Grundnahrungsmittel. In den modernen Sprachen hat Betlehem etwa die Bedeutung von Haus des Fleisches oder Haus des Brotes.
Möglich ist aber auch eine Ableitung des zweiten Wortbestandteils aus der homonymen Wurzel lḥm mit dem semantischen Feld „kämpfen“; Betlehem hätte dann die Bedeutung „Haus des Kampfes“. Weitere Deutungen beziehen das Götterpaar Lahmu/Lahamu in ihre Überlegungen ein, Betlehem wäre demnach das „Haus der Gottheit L.“


Biblische Überlieferung

Die erste Erwähnung Betlehems in der Bibel findet sich in Gen 35,19 EU, wo es heißt, dass Jakobs geliebte Frau Rahel „an der Straße nach Efrata, das jetzt Betlehem heißt“, begraben wurde. Nach der Eroberung Kanaans durch die israelitischen Stämme fiel Betlehem dem Stamm Juda zu. Auch das Geschehen aus dem Buch Rut spielt sich zu einem großen Teil in Betlehem ab und sowohl Ruts Schwiegervater Elimelech wie auch ihr späterer Mann Boas kamen aus diesem Ort (Rut 1,1 EU).
Betlehem war nach 1 Sam 16,1 EU der Herkunftsort Davids, wo auch der erwartete Messias als Nachkomme („Sohn“) Davids zur Welt kommen sollte (Mi 5,1 EU). In diesem Vers wird es als „Betlehem-Efrata“ bezeichnet, um es von einem anderen Ort mit Namen Betlehem zu unterscheiden, der im Stammesgebiet von Sebulon, ca. 11 km westnordwestlich von Nazaret, lag.
Nach Matthäus 2,1 EU und Lukas 2,4-11 EU ist Jesus Christus in Betlehem geboren worden. Die wahrscheinlich genaue Lage in einer Höhle, die die Christen als Geburtsstätte Jesu ansehen und über die sich seit dem Jahr 333 die Geburtskirche erhebt, wird schon ab dem 2. Jahrhundert verehrt. Durch den Besuch orientalischer Sterndeuter in Jerusalem wurde König Herodes auf das Kind aufmerksam und versuchte es umzubringen, indem er in Betlehem und Umgebung alle männlichen Kinder im Alter von bis zu zwei Jahren töten ließ (Kindermord in Betlehem, Mt 2,12-16 EU). Umstritten ist, ob Betlehem tatsächlich der Geburtsort Jesu ist. Vielfach wird argumentiert, es handele sich hierbei, ebenso wie beim Kindermord des Herodes, um Legendenbildungen, die die königliche Abstammung Jesu unterstreichen sollen. Es gibt aber ebenso namhafte Historiker, die die Schilderungen im Lukasevangelium für glaubhaft und historisch wahrscheinlich halten.


Tourismus

Der Fremdenverkehr war für die Stadt immer eine wichtige Einnahmequelle. Durch die Nähe zu Jerusalem wohnten viele Reisegruppen früher lieber in den günstigeren palästinensischen Hotels als in der Hauptstadt. Nach der Autonomie entstanden deswegen große Hotelneubauten, die von zurückgekehrten Auswanderern errichtet wurden, z. B. Hotel Bethlehem, Hotel Nativity. Der Krippenplatz wurde nach dem Bau einer Parkgarage autofrei. Die vielen Andenkenläden lebten auch von den Tagestouristen gut. Mit großem Eifer wurde das Jubiläumsjahr 2000 vorbereitet und eröffnet, doch der Ausbruch der Zweiten Intifada zerstörte alle Bemühungen. Die mehrmalige Besetzung der Stadt (einmal mit Belagerung von Geburtskirche und St. Katharinenkirche) verursachte große Schäden. Die große Mauer behindert den Tourismus massiv. Das tägliche Durchqueren der Grenzkontrollstelle ist so umständlich, dass die Gruppen nur mehr selten in der Stadt übernachten. Die großen Hotels mussten wieder schließen bzw. ihre Kapazität reduzieren. Tagesgäste müssen an der Grenze zu Jerusalem den Bus und den Reiseführer wechseln. 2006 hatten nur mehr zwei Andenkenläden beim Krippenplatz geöffnet. Die großen Werkstätten für Olivenholz-Schnitzereien mussten viele Mitarbeiter entlassen. Sie können ihre Produkte zwar noch in Jerusalem vermarkten, aber mit weniger Gewinn. Allein zur Weihnachtszeit blüht die Stadt für eine Woche wieder etwas auf.


Aktuelle Lage

Nördlich der Stadt verläuft die Israelische Sperranlage, die mit einer bis zu acht Meter hohen Mauer Betlehem von Jerusalem und kleineren palästinensischen Dörfern wie Walaja und Jaba trennt. Die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bewohner der Stadt Betlehem wird dadurch eingeschränkt.
In der Agglomeration Betlehem gab es vor 50 Jahren nur wenige Moscheen. Heute sind es etwa 100. Am Tag der Ankunft Arafats am 23. Dezember 1994 wurde auf dem Dach der Geburtskirche Betlehems ein 4x4 Meter großes Modell des muslimischen Felsendoms aufgestellt. Die Christen antworteten mit dem Aufstellen großer beleuchteter Kreuze auf ihren Privathäusern. Im Januar 1994, wenige Tage nach der Übergabe Betlehems an die palästinensische Autonomiebehörde, wohnten genau 49.654 Christen in den palästinensisch-kontrollierten Gebieten im Westjordanland und in Gaza. Seitdem sollen 10.754 Christen diese Gebiete verlassen haben, etwa die Hälfte von ihnen seit Ausbruch der El-Aksa-Intifada im September 2000. Allein in Betlehem, der größten Konzentration von Christen, sank deren Zahl von 29.401 auf 23.659. Die Spannungen zwischen Christen und Moslems wuchsen wegen der Stärkung islamistischer Strömungen. Problematisch sei das soziale Gefälle zwischen wohlhabenden Christen und eher ärmlichen Moslems. Den Christen wurde vorgeworfen, mit Israel kollaboriert zu haben, weil sie sich nicht aktiv an der Intifada beteiligten. Christliche Frauen seien beleidigt worden. Christliche Mädchen verschwanden. Für Christen gespendete Hilfsgelder aus dem Ausland wurden beschlagnahmt und an Moslems verteilt.
Seit langem ist festgelegt, dass der Bürgermeister, sein Vize und auch die Mehrheit des Gemeinderates der Stadt Christen sein müssen. Es ist sogar die Konfession des Bürgermeisters festgelegt: Griechisch-orthodox oder römisch-katholisch. In Anbetracht der Bevölkerungsentwicklung regt sich von Seiten der Muslime Widerstand gegen dieses Statut. Dadurch konnte die Hamas nach der letzten Wahl 2005 trotz ihres Sieges keinen ihrer Kandidaten zum Bürgermeister machen. Statt des langjährigen gemäßigten Amtsinhabers Hanna Nasser (römisch-katholisch) bekleidet nun der radikalere Marxist Walid Victor Batarseh (römisch-katholisch) dieses Amt. Er wird der Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP) zugerechnet, ist aber kein Parteimitglied. Dieser Umstand erlaubt es z.B. den Partnerstädten, die politischen Kontakte mit der von der Hamas dominierten Gemeinde aufrecht zu halten.

 Die Geburtskirche

Die Höhle, die die Christen als Geburtsstätte Jesu ansehen, wurde ab dem 2. Jahrhundert verehrt. Kaiser Hadrian errichtete angeblich 135 ein Adonisheiligtum über ihr, wahrscheinlich auch um damit die Jesusverehrung wieder zu unterbinden. Kaiser Konstantin der Große und seine Mutter Helena ließen an der Geburtsstätte eine Memorialkirche mit reichen Mosaikböden errichten, die sie Jesus Christus weihten. Der Bau wurde vor 335 geweiht. Er war eine fünfschiffige, 27 Meter lange Basilika mit einem westlich vorgelagerten Atrium und einer polygonalen Apsis im Osten. Die Apsis war 17 Meter breit und hatte in der Mitte eine 4 Meter breite Öffnung, durch die man in die Geburtsgrotte hinab sehen konnte. 386 kam der heilige Hieronymus nach Bethlehem, wo er seine lateinische Bibelübersetzung Vulgata vollendete; in seinem umfangreichen Werk berichtet er wiederholt von der Geburtsgrotte, so z. B. in seinem 46. Brief, Kap. 11,3: "Hier in einer kleinen Erdspalte wurde der Schöpfer des Himmels geboren." ("Ecce in hoc parvo terrae foramine caelorum conditor natus est.") Die konstantinische Basilika ist in der 2. Hälfte des 5. Jhs. mit einem westlichen Narthex vollständig neu erbaut worden, wie der vollständig erhaltenen Baudekor an Kapitellen und Architraven zeigt; der Grund – ein Brand oder ein Erdbeben – ist nicht überliefert. Gegen einen Neubau unter Kaiser Justinian I. im 6. Jh. spricht der Baudekor des 5. Jhs., und es liegen auch keine Quellen seiner Bautätigkeit in Bethlehem vor. Wesentliche Änderungen war das Abdecken des Mosaikbodens mit Steinplatten, die Vergrösserung des Ostabschlusses mit drei Apsiden und ein doppelter Treppenabgang zur Grotte, so dass nun die Pilger bis unmittelbar an die Geburtsstätte gelangen konnten.
Während andere Kirchenbauten 614 von den gegen das Byzantinische Reich vorrückenden Persern beschädigt wurden, blieb diese Kirche verschont; sie ist somit die älteste erhaltene und ununterbrochen genutzte Kirche im Heiligen Land. Vermutet wird, dass ein Relief über dem Eingangstor, das die Heiligen Drei Könige in orientalischer Kleidung darstellte, der Grund dafür war. Die Kreuzfahrer restaurierten die Kirche gründlich (1161–1169). Auch die Mamluken ließen die Kirche im 13. Jahrhundert stehen. Unter den Türken, die die Mamorverkleidung abmontierten, verfiel die Kirche zunehmend. 1670 begann die griechisch-orthodoxe Kirche, die Kirche zu renovieren. Am mutmaßlichen Geburtsort in der Geburtsgrotte wurde exakt auf der Mittelachse der Basilika 1717 von der katholischen Kirche ein silberner Stern mit der Inschrift Hic de virgine Maria Jesus Christus natus est (Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren) angebracht. Seine 14 Zacken symbolisieren die 14 Geschlechter im Stammbaum Jesu.
In der Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Konfessionen über die Verwendung des Gebäudes, sodass die Hohe Pforte 1757 eine Regelung festsetzen musste. Der zufolge gehört der Hauptaltar und die rechten Seitenaltäre den Griechen, zwei Seitenaltäre links den Armeniern. Den Katholiken (Lateinern) blieben neben dem Dreikönigsaltar und dem Stern untern dem Geburtsaltar nur die Hieronymus-Grotten und der Platz links von der Kirche, wo sie sich eine eigene Kirche bauen durften.
Nachdem der silberne Stern in der Geburtsgrotte 1847 entfernt worden war, wurde er zwar 1852 von Sultan Abdülmecid I. wieder neu gestiftet, dennoch führte unter anderem dieser Vorfall zum Ausbruch des Krimkriegs.
Während der Zweiten Intifada kam es im April 2002 zu einer 39 Tage dauernden Belagerung der Anlage durch die israelische Armee, nachdem sich bewaffnete palästinensische Kämpfer in die Geburtskirche geflüchtet und dort verschanzt hatten.


Architektur der heutigen Geburtskirche 

Die jetzige Geburtskirche ist eine fünfschiffige Kirche mit einem Narthex. An die Stelle des einfachen Chorabschlusses ist ein Drei-Konchen-Chor mit Querschiff und quadratischer Vierung getreten. Die Basilika hat einen offenen Dachstuhl. Nur die drei Konchen sind gewölbt; die Mauern der Konchen sind deshalb dicker als im Schiff. Die Säulen sind nicht aus Marmor sondern aus einem rötlichen, in Palästina gebrochenen dolomitischen Gestein. Im Mittelschiff und in der nördlichen Chorpartie befinden sich unter dem jetzigen Fußboden Reste von Bodenmosaiken aus dem 4. Jahrhundert, die mit Holzdeckeln geschützt sind. An den Wänden des Schiffes sind Mosaiken der Kreuzfahrerzeit (Mitte 12. Jh.) zu sehen, welche Konzilien darstellen: auf der Südwand sieben ökumenische Konzilien (Nicaea 325, Constantinopel 381, Ephesus 431, Calchedon 451, C/pel 553 und 680 sowie Nicaea 787), auf der Nordwand sechs Provinzialkonzilien (Carthago, Laodicea, Gangara, Serdica, Antiochia, Ancyra). Im Nordschiff finden sich Mosaiken, die Szenen des ungläubigen Thomas und der Himmelfahrt Christi zeigen. An 33 Säulen im Langhaus haben sich Malereien erhalten. Auf der rechten Seite gelangt man über eine Tür zum Kloster der Griechisch-Orthodoxen, auf der linken Seite gibt es zwei Verbindungstüren zur römisch-katholischen Katharinenkirche bzw. dem Kreuzgang davor. Über zwei schmale Treppen gelangt man in die Geburtsgrotte, in der die Geburtsstelle unter dem Geburtsaltar gezeigt wird, bezeichnet mit einem Silberstern, auf dem die lateinische Inschrift „Hic de Virgine Maria Jesus Christus Natus Est“ steht. Rechts davon befindet sich jener Platz, an dem die Krippe gestanden sein soll.


Anmerkung: Zum Zeitpunkt meiner Reise nach Bethlehem im Oktober 2010 war die Geburtskirche eine reine Baustelle (siehe Fotos)...






















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