Mittwoch, 27. Oktober 2010

Die Knesset & Menora - מנורה & כנסת

Die Knesset (כנסת, Hebräisch für Versammlung) ist das Einkammerparlament des Staates Israel. Sie besteht aus 120 Abgeordneten, die für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt werden, und trat am 14. Februar 1949 erstmals zusammen. Die Wahlen zur Knesset, die in der israelischen Hauptstadt Jerusalem tagt, erfolgen nach dem Verhältniswahlsystem mit einer Sperrklausel von zwei Prozent. Die derzeit amtierende 18. Knesset wurde am 10. Februar 2009 gewählt.





Das neue Knessetgebäude

Das neue Knessetgebäude in Giwat Ram wurde von dem Architekten Joseph Klarwein geplant. Finanziert wurde das Gebäude vom Baron-James-de-Rothschild-Fonds. Der typische 1960er-Jahre-Bau verbindet konstruktivistische Elemente mit wenigen klassizistischen Elementen. Der quadratische Säulenbau ist aus Beton und rötlichem Jerusalemer Stein gebaut. Das Innere des Gebäudes wurde von Dora Gad recht schlicht gehalten.
Besondere Aufmerksamkeit verdient der Chagall-Saal: Marc Chagall entwarf 1960 auf Einladung von Kadish Luz, dem damaligen Sprecher der Knesset, drei große Wandteppiche (in den Maßen 5,50 mal 4,80 Meter für die beiden äußeren beziehungsweise 9,50 mal 4,80 Meter für den mittleren Teppich), auf denen er biblische und moderne Themen aus der Geschichte des jüdischen Volkes behandelt. Ursprünglich waren Fenster ähnlich denen im Medizinischen Hadassah-Zentrum in En Kerem geplant, Chagall bot jedoch an Teppiche zu fertigen, obwohl er mit so einem Material bis dato noch nie gearbeitet hatte. Als Titel schlug Chagall „The End of Days“, „Moses, King David and the Dispersions“, sowie „the Rebirth of the State of Israel“ vor und Luz nannte Chagall Verse aus der Bibel, die er sich verarbeitet wünschte. Viele dieser Verse tauchen in den Motiven der Wandteppiche auf, die heute die Namen „Isaia's Vision“ bzw. „Peace“, „The Exodus from Egypt“ und „The Entry to Jerusalem“ bzw. „Return to Zion“ tragen. Die Entwürfe für die Wandteppiche waren von Chagall 1963 beziehungsweise 1964 fertiggestellt worden, die darauffolgende Ausführung wurde vom Pariser „Atelier de la Manufacture des Gobelins“ übernommen und 1968 abgeschlossen. Das Motiv des Wandteppichs mit dem Titel „Isaia's Vision“ wurde mit nur minimalen Abweichungen für ein Glasfenster des UNO-Gebäudes in New York übernommen.
In dem Saal befindet sich zudem ein Wandmosaik Chagalls, das von italienischen Künstlern mit israelischen und italienischen Natursteinen umgesetzt wurde, sowie mehrere Bodenmosaike Chagalls. In diesem Saal ist auch eine Kopie der israelischen Unabhängigkeitserklärung zu besichtigen. Im gesamten Gebäude sind Schwarz-Weiß-Photographien des offiziellen Photographen der Knesset David Rubinger ausgestellt.
Im Jahre 1992 wurde ein weiterer Flügel angebaut, der vor allem im Untergrund liegt, um das Gesamtbild nicht zu stören. Ein weiterer Anbau ist geplant.



Die Menora 

Die Menora (Betonung auf letzter Silbe mit langem ā: Meno'rā; auch: Menorah, hebr: מנורה, Plural Menorot, hebr: מנורות; hebräische Bezeichnung für Leuchter, Lampe) ist ein siebenarmiger Leuchter und eines der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums und wurde bei der Staatsgründung Israels in das Staatswappen aufgenommen. Die Menora hat ihre Ursprünge vermutlich in Babylonien und soll die Erleuchtung symbolisieren. Die unten gezeigte Menora befindet sich vor der Knesset in Jerusalem und ist das wichtigste religiöse Symbol des Judentums.




Die Menora und die Bibel

Moses erhielt auf dem Berg Sinai (als er auch die Tafeln mit den zehn Geboten bekam) den Auftrag, ein Heiligtum zu errichten, das Stiftszelt. Zu diesem gehörte auch ein Leuchter (Ex 25,31-40 LUT; 37,17-24 LUT).
31Du sollst auch einen Leuchter aus feinem Golde machen, Fuß und Schaft in getriebener Arbeit, mit Kelchen, Knäufen und Blumen. 32Sechs Arme sollen von dem Leuchter nach beiden Seiten ausgehen, nach jeder Seite drei Arme. 33Jeder Arm soll drei Kelche wie Mandelblüten haben mit Knäufen und Blumen. So soll es sein bei den sechs Armen an dem Leuchter. 34Aber der Schaft am Leuchter soll vier Kelche wie Mandelblüten haben mit Knäufen und Blumen, 35und je einen Knauf unter zwei von den sechs Armen, die von dem Leuchter ausgehen. 36Beide, Knäufe und Arme, sollen aus einem Stück mit ihm sein, lauteres Gold in getriebener Arbeit. 37Und du sollst sieben Lampen machen und sie oben anbringen, so dass sie nach vorn leuchten, 38und Lichtscheren und Löschnäpfe aus feinem Golde. 39Aus einem Zentner feinen Goldes sollst du den Leuchter machen mit allen diesen Geräten. 40Und sieh zu, dass du alles machest nach dem Bilde, das dir auf dem Berge gezeigt ist.
Während der vierzigjährigen Wanderung trugen die Israeliten das Stiftszelt inklusive Menora stets mit sich, bis es schließlich im Tempel in Jerusalem integriert wurde. Dort ließ König Salomo dann 10 goldene Menorot aufstellen, die aber später zerstört wurden.








Die Menora und der 'Zweite Tempel'

Im Zweiten Tempel stand dann wieder nur eine Menora, die bei der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n. Chr. durch Titus von den Römern geraubt wurde. Auf dem Titusbogen (einem Triumphbogen zur Erinnerung an den Triumphzug) ist eine Abbildung der Menora als Beutestück zu finden. Das ist das letzte historische Dokument von ihr; sie gilt heute als verschollen, und um den Verbleib gibt es wilde Spekulationen.
Die Menora galt als eines der Symbole für den Tempel und ist daher häufig auf antiken Münzen, auf Mosaiken oder in Stein eingraviert zu finden. Die bislang früheste Darstellung der Menora stammt nach der umstrittenen Ansicht der Ausgräberin D. Avschalom-Gorni aus einer im Jahr 2009 in der Nähe des antiken Magdala aufgefundenen Synagoge.












Die Menora in der jüdischen Tradition

von Michael Goldberger

Rabbiner Michael Goldberger, geb. 1961 in Basel. Er bekam seine rabbinische Ausbildung in Israel und Amerika und wurde u.a. von Rabbiner Zalman Schachter-Schalomi, dem Begründer und führenden Lehrmeister des Jewish Renewal, ordiniert. Er hat außerdem einen Diplom-Abschluß in Psychologie erworben und ist ausgebildeter Gestalt-Psychotherapeut. Seit 1993 ist er Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

"Schafft Mir nur eine Öffnung so klein wie ein Nadelöhr! Ich werde es aufstoßen und daraus einen Einlaß schaffen, so groß wie das Portal eines Palastes" (Midrasch Hoheslied Rabba 5,2). Mit diesen wunderbaren Worten verdeutlicht G"tt dem Menschen, wonach Er sich sehnt und was Er von uns erwartet: daß wir eine Beziehung mit Ihm eingehen und uns mit Ihm verbinden. Um das zu erreichen, müssen wir in unserem Leben allerdings erst Platz schaffen für G"tt. Es bedarf heiliger Zeiten und heiliger Orte, um aus Alltag und Gewohnheit auszubrechen und G"tt zu erleben.
Sieben Wochen nach dem Auszug aus Ägypten erhielt das versammelte jüdische Volk die Zehn Gebote. Nach der Offenbarung am Berge Sinai forderte G"tt: "Macht mir ein Heiligtum, damit ich unter Euch verweilen kann" (Ex 25,8). Dieses Heiligtum ist das Symbol für den Raum, den jeder Mensch schaffen muß, um G"tt herein zu lassen. Tun wir dies, lebt G"tt in und mit uns. G"tt sagt ja nicht: "Macht mir ein Heiligtum, damit ich dort drin verweilen kann", sondern "damit ich unter Euch verweilen kann".
Die Tora beschreibt den Bau dieses Heiligtums in allen Einzelheiten. Es wird Stiftszelt genannt, weil alle Materialien vom Volk gestiftet wurden. Die eigentliche Arbeit unter der Anleitung eines Wunderkindes mit Namen Bezalel - er konnte als einziger G"ttes Beschreibungen des Tempels und seiner Geräte verstehen - dauerte ungefähr vier Monate. Es entstand ein eingezäunter Hof mit dem eigentlichen Tempel als Mittelpunkt. Dieser bestand aus 48 Säulen von 6 Metern Höhe, die derart zusammengefügt wurden, daß sie ein Haus von 18 Metern Länge und 6 Metern Breite ergaben. Als Dach dienten Teppiche und Felle, was dem Heiligtum den Charakter eines Zeltes verlieh. Statt einer festen Tür gab es einen kunstvoll verzierten Vorhang, in den auf der einen Seite Löwen und auf der anderen Seite Adler eingewoben waren. Ging man durch diese Öffnung, befand man sich im Heiligsten, welches noch einmal durch einen ähnlichen Vorhang im Verhältnis 2:1 unterteilt war. Der so abgetrennte hintere Teil hieß "Allerheiligstes". Dort wurden in einer vergoldeten Truhe die zwei Tafeln, auf denen G"tt die Zehn Gebote eingraviert hatte, aufbewahrt. Die Bundeslade blieb allerdings dem Volk verborgen. Niemand durfte nämlich das Allerheiligste betreten, mit Ausnahme des Hohenpriesters. Selbst dieser tat dies bloß einmal im Jahr, nämlich an Jom Kippur, dem Versöhnungstag.
Im vorderen, größeren Teil des Stiftszeltes befanden sich einige andere heilige Geräte, die von allen bewundert werden konnten. In der Mitte stand ein Räucheraltar und weiter rechts ein Tisch mit zwölf Brotlaiben. Ihm gegenüber schließlich, an der südlichen Wand, überragte ein prachtvoller Leuchter aus reinem Gold alle anderen Kultgegenstände - die Menora.
Während der vierzigjährigen Wüstenwanderung trugen die Israeliten das Stiftszelt stets mit sich. Zu diesem Zweck ließ es sich auseinander- und wieder zusammenbauen. Auch alle Geräte - mit Ausnahme der Menora - besaßen Tragestangen. Nach der Eroberung des Gelobten Landes kam das Heiligtum nach Schilo, Nob und Gibeon, bevor es schließlich im 1. Tempel in Jerusalem integriert wurde. König Salomo ließ nicht nur eine Menora, sondern zehn goldene Menorot aufstellen, die später zerstört wurden. Im 2. Tempel soll dann wieder bloß eine Menora gestanden haben, die dann vor fast 2000 Jahren geraubt wurde. Die ursprüngliche Menora aus den Zeiten Moses ist allerdings schon viel länger verschollen.
Ihre einzigartige Schönheit und die ihr innewohnende Symbolik machten die Menora zu einem der edelsten Wahrzeichen des jüdischen Volkes. Tausende von Synagogen und jüdischen Schulen sind mit einer Menora gekrönt. Der siebenarmige Leuchter ziert das Staatswappen Israels, und auch in den Gerichtsräumen des jüdischen Staates hängt jeweils die Abbildung einer Menora. Unzählige Juden tragen eine kleine Menora als Halskettchen oder Ohrring. Die Menora ist das jüdische Kultzeichen par excellence. Wir sind in der Tat nicht nur das Volk des Buches, sondern auch das Volk der Menora.




Form und Gestalt der Menora
In der Hebräischen Bibel wird an zwei verschiedenen Stellen beschrieben, daß für das Stiftszelt ein Leuchter angefertigt werden muß und wie er aussehen soll (Ex 25,31-40; 37,17-24). Mose allerdings rätselte trotz der ziemlich ausführlichen und detaillierten Beschreibungen lange herum, wie genau die Menora herzustellen sei. G"tt formte ihm deshalb ein himmlisches Muster aus Feuer. Er erblickte in einer Vision einen siebenarmigen Leuchter aus reinem Gold, welcher aus einem Stück gehämmert war. Außer den sieben Kelchen war nichts angesetzt. Alles, was am Leuchter war, stammte aus ihm selbst.
Den Beschreibungen der Tora mit den entsprechenden Interpretationen können wir Form und Gestalt der Menora entnehmen. Sie besteht aus einem Sockel mit einem Mittelschaft, an dessen oberem Ende ein länglich-schmaler Kelch angebracht ist. Von beiden Seiten zweigen jeweils drei Arme ab, die ebenfalls in Kelche münden. Alle sieben Röhren (Mittelschaft plus sechs Seitenarme) sind mit knospen- und blütenförmigen Ornamenten verziert. Die seitlichen Röhren wachsen bis zum Mittelschaft empor, so daß alle sieben Lampen in gleicher Höhe liegen.
In der Tora sind keinerlei Maße angegeben. Somit ist nicht eindeutig, wie hoch und schwer der Leuchter sein mußte und in welchem Winkel die Seitenarme vom Mittelschaft abzweigen sollten. Der Talmud allerdings berichtet, daß er etwa 1,5 Meter hoch und 75 kg schwer war. Darüber, ob die Seitenarme geschwungen oder in einem spitzen Winkel vom Stamm abgingen, herrschen gegensätzliche Auffassungen. Wie auch immer, äußerlich gleicht die Menora zweifellos einem blühenden Baum, und das nicht bloß der blumenartigen Verzierung wegen. Sie diente im Stiftszelt als Leuchter, wobei es die Aufgabe der Priester war, frisch gepreßtes, reines Olivenöl in die sieben Kelche einzufüllen. Die Dochte in den Kelchen waren derart angeordnet, daß die seitlichen Flammen jeweilig dem Mittelschaft zugewandt waren. Die Lampen wurden bei Einbruch der Nacht angezündet und brannten bis zum Morgengrauen. Im 2. Tempel ließ man drei der sieben Lampen auch tagsüber lodern. Merkwürdigerweise war es den Priestern geboten, selbst am heiligen Schabbat, an dem das Anfeuern eigentlich strikt untersagt ist, dafür zu sorgen, daß die Lichter der Menora nicht erloschen. Es scheint, als verkörpere die Menora außerordentlich kraftvolle und erhabene Ideen von überragender Wichtigkeit. Ihrer vielschichtigen Symbolik wollen wir uns nun zuwenden.





"Ein Licht unter Völkern"
In erster Linie verbreitet die Menora Licht. Nachdem das jüdische Volk ein "Licht unter den Völkern" (Jes 42,6) werden soll, liegt die enge Verbundenheit zwischen Juden und ihrer Menora auf der Hand. Im Gegensatz zum Tisch vis-à-vis mit seinen Brotlaiben, der offenkundig materielle Wohlfahrt symbolisiert, verkörpert die Menora geistige Erleuchtung, Einsicht und die damit verbundene Lebensfreude.
Um das Wesen von Licht zu entdecken, können wir uns der biblischen Schöpfungsgeschichte zuwenden. Im Anfang war die Welt finster, wirr und deprimierend. Dann sprach G"tt: "Es werde Licht" (Gen 1,2). Das so hervorgerufene Licht kam nicht von Sonne, Mond oder Sternen, die ja erst am vierten Tag erschaffen wurden. Es handelt sich bei diesem Licht auch nicht um eine simple Beleuchtung, sondern um ein übersinnliches Licht, eine Art G"ttliche Lebenskraft als Antwort des Ewigen auf Verzweiflung und Konfusion. Auf Hebräisch heißt dieses Licht or. Auch an anderen Stellen, bei der die Bibel diesen Begriff einsetzt, meint sie mit or Leben. (Vgl. etwa Spr 6,23; Jes 2,5; Hiob 29,3; Ps 119,105.)
Die Tora erzählt uns in ihren ersten Zeilen, daß in dieser Welt immer wieder dunkle Zeiten über uns hereinbrechen und das wir oft Kummer und Sorge erleiden müssen. Und sie sagt, daß wir uns und anderen mit unserer Lebenskraft helfen können, indem wir - G"tt gleich - Licht in die Dunkelheit bringen. In einer ersten Annäherung erinnert uns die Menora im Tempel also daran, daß G"tt als allererstes Licht geschaffen hat, welches dadurch Teil des Schöpfungsaktes wird. G"tt gibt uns diese Kraft zu Beginn, weil wir als Sein Partner in der Schöpfung der Welt fortfahren sollen, Licht in das Universum zu bringen. Nun können wir das erste Gebot verstehen, welches im gerade errichteten Stiftszelt erfüllt werden mußte: die sieben Lichter der Menora zu entzünden (vgl. Num 8,2). Auf der physischen Ebene diente die Menora der Beleuchtung des Stiftszeltes. Auf der geistigen Ebene soll sie Herz und Verstand erleuchten und das jüdische Volk inspirieren, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem es Raum schafft für das Licht der Tora.



Das Geheimnis des Baumes
Wir haben schon festgestellt, daß die Menora in ihrer äußeren Form einem Baum gleicht. Der Sockel entspricht dabei dem Wurzelstock, der Mittelschaft dem Stamm und die seitlichen Arme den Ästen. Der ganze Leuchter ist mit zahlreichen Ornamenten geschmückt, die den Charakter der Menora als Symbol eines blühenden Baumes unterstreichen. Wir finden an jedem Arm mandelförmige Kelche, Blumen und Knäufe, die an Fruchtknoten erinnern.
Das auffälligste Merkmal eines Baumes ist seine stetige Veränderung. Der Baum wächst gleichzeitig in die Tiefe und in die Höhe und fügt seinem Stamm jährlich einen neuen Ring hinzu. Er entwickelt sich, kommt zur Blüte und schafft Früchte und farbige Blätter. Später verliert er sein Laub, erscheint unvermittelt vertrocknet und leblos, bevor er schließlich wieder zu Kräften kommt und sich erneuert. Mit anderen Worten: Die Menora repräsentiert ihrer Form nach Entfaltung, Entwicklung und Wachstum.
Bedenken wir andererseits, daß die Menora das einzige Gerät im Stiftszelt war, welches ganz aus Metall, und zwar aus Gold bestand, so erkennen wir etwas Eigentümliches: ihrem Material nach steht die Menora scheinbar für etwas Entgegengesetztes zu dem, was sie ihrer Form nach ausdrückt, nämlich für das Feste, Beharrliche und Unveränderliche. Zwar gehören Metalle zu den Stoffen, die sich durchaus formen und bilden lassen, wenn man sie mit Feuer und Hammer zu bearbeiten versteht. Später jedoch verfügen sie über eine außergewöhnliche, fast unnachgiebige Härte.
Die Menora vereinigt in sich also zwei Eigenschaften, die sich auf den ersten Blick widersprechen, auf den zweiten aber ergänzen: das sich ewig Gleichbleibende und das sich unablässig Verändernde. Nun wissen wir, daß die Menora im Tempel als Träger des Ewigen Lichtes diente. Bis zum heutigen Tag finden wir in Erinnerung daran in jeder Synagoge ein Ewiges Licht - in dieser Zeit meistens ein elektrisches -, welches tatsächlich immer brennt. Die Menora verbildlicht somit eine großartige Weisheit. Wenn das Licht ewig brennen soll, wenn es uns für alle Zeiten Erkenntnis und Erleuchtung spenden soll, dann brauchen wir zugleich Beständiges und Veränderliches, Altes und Neues.
Seit Tausenden von Jahren trotzt das Judentum allen feindlichen Versuchen, Religion oder Volk zu vernichten. Daß wir trotzdem überlebt haben, liegt weder ausschließlich daran, daß es immer traditionsbewußte Juden gab, die streng am Althergebrachten festgehalten haben, noch daran, daß es stets Juden gab, die den Mut zur Erneuerung besaßen. Wir sind vielmehr im Spannungsfeld zwischen Alt und Neu, zwischen Bewahren und Verändern gewachsen. Als Jeremia die Zerstörung des Tempels und damit auch den Verlust der Menora beweinte, wuchs aus seiner Verzweiflung ein inbrünstiges Gebet, welches bis heute in der synagogalen Liturgie oft gesprochen wird: "Führe uns zu Dir zurück, G"tt, und wir werden umkehren. Erneuere unsere Tage wie einst" (Klgl 5,21). Der Prophet erkannte, was nach der Vernichtung des geistigen Zentrums des jüdischen Volkes und der damit einhergehenden Beraubung des damals alltäglichen direkten Kontaktes mit G"tt mittels Opferdienst erforderlich war: Erneuerung im Hinblick auf die so schwere Herausforderung.
In einem gewissen Sinne läutete bereits Melchizedek, Priesterkönig von Salem, diese Epoche ein, die sowohl Erhaltung als auch Reform benötigt. Er überbrachte Abraham als Gastgeschenk Brot und Wein (vgl. Gen 14,18). Vom Wein wissen wir, daß er wertvoller und besser wird, je älter er ist. Brot aber schmeckt nur dann gut, wenn es frisch ist. Wir brauchen also Altes und Junges gleichzeitig, in der Tora ausgedrückt durch Wein und Brot. Nicht umsonst spielen diese Elemente sowohl im Judentum am Schabbat, dem Tag, welcher der Ewigkeit gewidmet ist, wie auch in der Kirche eine entscheidende Rolle. Die Menora drückt dieses Wissen aus, indem es beide Kräfte - Beständigkeit und Erneuerung - in sich vereint. 



Das Geheimnis der Zahl Sieben
Ein bedeutsames Merkmal der Menora ist die Zahl der Lichter. Die Zahl Sieben kommt in der Bibel tatsächlich sehr oft vor. So sollen wir am Schabbat - dem siebten Tag der Woche - alltägliche und schöpferische Arbeiten ruhen lassen und unsere Zeit der Seele weihen. Wir sind verpflichtet, jedes siebte Jahr darauf zu verzichten, Felder und Äcker im Heiligen Land zu bearbeiten. Es ist, als ob auch sie Ruhe und Besinnung bräuchten. Das entsprechende Jahr wird in der Bibel Schabbatjahr genannt. Schließlich rufen wir nach jedem siebten Schabbatjahr, also alle 50 Jahre, ein Jubeljahr aus. Es wird derart gefeiert, daß alle abhängigen Knechte und Diener freikommen und alle Ländereien wieder zu ihrem ursprünglichen Besitzer zurückkehren. Die Zahl Sieben und ihr Rhythmus drücken der religiösen Zeitrechnung ihren Stempel auf. Sie mahnen an, um unseres eigenen Lebens willen die Verbindung mit Ursprung und Quelle allen Seins zu suchen. Der siebte Tag schafft im Gegensatz zu den sechs Werktagen eine andere Atmosphäre, die von Gelassenheit, Heiterkeit, Frieden und Ruhe geprägt ist, und nicht von Arbeit, Mühe und Anstrengung. Wir heiligen den siebten Tag, indem wir davon ablassen, andere Geschöpfe zu manipulieren und uns statt dessen dem Schöpfer hingeben. Was aber ist das erste, was wir tun, sobald der Schabbat naht? Wir entzünden Lichter. Auch alle anderen siebten Einheiten unterstützen diese Bemühungen. An all diese Dinge erinnert die Menora mit ihren sieben Leuchtern.



Die dialogische Mentalität
Viele Menschen glauben, daß die Zahl Sieben eine besondere Heiligkeit besitzt. In der Kabbala, der jüdischen Mystik, gelten alle Zahlen als heilig, wobei sie jeweils unterschiedliche Eigenschaften bergen. In der Natur drückt die Sieben eine vollständige, in sich geschlossene Ganzheit aus. Die Tonleiter etwa umfaßt sieben verschiedene Töne, wobei der achte wieder dem ersten auf einer neuen Ebene entspricht. Auch unsere Woche besteht aus sieben Tagen, wobei mit dem achten bereits die nächste Woche beginnt. Die Zahl Sieben bedeutet Vollkommenheit, Schöpfung und Gesamtheit. Sie vereint in sich wiederum zwei Pole, die sich auf den ersten Blick widersprechen und auf den zweiten ergänzen: Einheit und Vielfalt.
Wir alle sind auf der Suche nach der einen, absoluten Wahrheit. Nach jüdischer Auffassung ist Wahrheit aber nicht monolithisch, sondern vielschichtig, universell und allumfassend. Wahrheit heißt auf Hebräisch ämät. Es schreibt sich mit den Buchstaben aleph - mem - tav. Nun ist Aleph der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets, Tav der letzte und Mem steht genau in der Mitte. Das Wort ämät drückt aus, daß die Wahrheit sprichwörtlich alles - von A bis Z - einschließt.
Obschon die Menora aus einem Guß besteht und nicht etwa nach und nach zusammengefügt wird, schafft und umfaßt sie mit ihren sieben Armen und Lichtern Mannigfaltigkeit. Alle Lichter stehen auf einer Basis, besitzen eine Wurzel. Ein Stamm trägt die Fülle allen geistigen Erkennens. Der Stamm manifestiert sich aber vielgestaltig.
Die Menora als Symbol für Erkenntnis offenbart so, daß der Mensch keine absolute Wahrheit zu erkennen vermag. Sie zeigt sich uns vielmehr in verschiedenen Aspekten und mit zahlreichen Facetten. Die Menora lehrt, daß aus einem Stamm viele Zweige wachsen, und daß kein Licht ernsthaft von sich behaupten kann, es sei heiliger als sein Nächstes. Diese Einsicht geht weit über die Aussage der berühmten Ringparabel heraus. Nathan der Weise setzt in seinem Gleichnis voraus, daß es eine wahre Religion gäbe, die bloß nicht mehr festzustellen sei. Die Menora hingegen lehrt, daß viele Wege der Erleuchtung zugleich wahr sind. Mehr noch: der eine Pfad führt nur deswegen zum Ziel, weil es auch andere Pfade gibt. Auf der Suche nach Wahrheit müssen wir nicht nur den Standpunkt des anderen tolerieren. In einem nächsten Schritt sollen wir verstehen, daß "die Worte von diesen und von jenen Worte des lebendigen G"ttes sind" (Babylonischer Talmud, Eruvin 13b). Schließlich werden wir verstehen, daß unsere Haltung erst dadurch wahr wird, daß auch andere Haltungen da sind. In diesem Sinne ruft die Menora eindringlich zu wahrem Dialog auf.

Unendliches Licht
Kehren wir noch einmal zur Schöpfungsgeschichte zurück. Die Kabbalisten erzählen eine merkwürdige Geschichte: ursprünglich existierte nur das Unendliche Licht des Ewigen. Als G"tt die Welt erschaffen wollte, zog Sie Ihr Licht ein wenig aus dem Zentrum zurück und bildete so ein sphärisches Vakuum. G"tt schuf Raum. In diesen Raum stellte Sie Gefäße, die allerdings im Unterschied zu Ihr selbst endlich, mehrmalig und verschiedenartig waren. Während G"ttes strahlendes Licht emaniert, sollten die Gefäße empfangen. Sie konnten jedoch selbst schmalste Lichtstreifen nicht ertragen und zerbrachen. So kam es zu dem Chaos, von dem die Bibel zu Beginn berichtet.
Die Kabbalisten lehren nun, daß die Welt und wir selbst diese zerbrochenen Gefäße sind. Unsere Aufgabe, ja der Sinn des Lebens überhaupt besteht darin, uns zu heilen, um dereinst G"ttes Unendliches Licht empfangen zu können. Einer der Gründe, weswegen wir dazu außerstande waren, bestand darin, daß jedes Gefäß das Licht eigenständig aufnehmen wollte. Die Heilung der Welt besteht in dem aufregenden Prozeß, uns selbst in unseren Beziehungen so zu entwickeln, daß wir gemeinsam mit anderen G"ttes Geschenk des Unendlichen Lichtes der Liebe annehmen können. Die Mystiker nennen dies Tikkun Olam (Wiederherstellung, Erlösung der Welt).
Bevor G"tt die Welt erschuf, hatte Sie eine Vision. Sie träumte von einer Welt voller Frieden, Liebe und Harmonie. Die Tora berichtet vom Garten Eden mit dem Baum des Lebens in seinem Zentrum. Dort hätten wir diese Vision verwirklichen können. Über Adam und Eva, den Urmenschen, soll ein Licht gestrahlt haben, dank dessen sie die Welt von einem Ende bis zur anderen geschaut haben. Die Kabbala beschreibt, wie auch über dem ungeborenen Kind G"ttliches Licht scheint, mittels dessen es von einem Ende der Welt zum anderen zu blicken und G"ttes Vision zu erkennen vermag. Die Ausweisung aus dem Paradies entspricht in dieser Analogie der Geburt des Kindes, bei der ein Engel das Licht entfernt. Nun gehen wir durch das Leben, um G"ttes Pläne zu verwirklichen. Das Licht ist aber nicht erloschen. Es ist verborgen in der Tora. Dort sind G"ttes Visionen beschrieben. Dort finden wir Anleitung, wie wir unsere Aufgabe erfüllen können. Das Wort Tora enthält tatsächlich auch das Wort or (Licht).
Kommen wir ein letztes Mal zur Menora zurück. Sie verkörpert natürlich nicht irgend einen Baum, sondern den Baum des Lebens im Garten Eden. Das Ziel in dieser Welt besteht darin, die vollkommene Einheit des Paradieses zu gestalten. Der heilige Tempel erinnert uns an diese Aufgabe, wobei wir letztlich die ganze Welt in ein Haus G"ttes wandeln müssen. Um dies zu erreichen, pflanzen wir von neuem den Baum des Lebens, der von der Menora dargestellt wird. Sie erinnert uns daran, daß wir G"ttliche Lebenskraft nutzen dürfen, um Verzweiflung zu überwinden, daß wir nur im Spannungsfeld zwischen Bewahrung und Erneuerung wachsen, daß wirkliche Einheit Gegensätze birgt und daß wir mit anderen in einen ehrlichen, kollaborativen Dialog treten müssen.
Einst erblickte Sacharja in einer prophetischen Vision den zukünftigen Tempel, das Haus, in welchem alle Völker sich mit einem Schöpfer vereinen werden (vgl. Jes 56,7). Er sah eine goldene Menora, umrahmt von zwei Olivenbäumen. Dazu vernahm er eine Stimme, die verkündete: "Nicht durch Macht und nicht durch Stärke, sondern durch Meinen Geist" (Sach 4,6).





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